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Benjamin May hat sich der Porträtfotografie von Wildtieren verschrieben, die er sowohl in der freien Natur als auch in Tierparks aufnimmt. Die kontrastreichen Schwarz-Weiß-Aufnahmen weisen einen sehr harmonischen Bildaufbau auf, der die Tiere in den absoluten Mittelpunkt setzt und sie in ungestörter Atmosphäre porträtiert:
Die Fotografie von Odin, dem Hirsch, zeigt eindrücklich die Feinheiten im Bildaufbau. Stolz und friedlich ruht der Hirsch vor einer Baumreihe und lässt sich nicht von seinen Betrachtern stören. Das weiße Fell und die zum Betrachter gewandte Hals verweisen jedoch auf seine Verletzlichkeit. Der kundige Betrachter wird feststellen, dass die geradlinige Baumreihe im Hintergrund keinem natürlichen Wuchs entspricht, sondern ein vom Menschen angelegter Forst ist. Der Bildaufbau verweist auf die bedrohliche Annährung der Grenzen zwischen natürlichem Lebensraum von Wildtieren und dem vom Menschen geschaffenen Raum.
Der ebenso ungewöhnliche Blick eines Bären als Nahaufnahme überzeugt durch den Fokus auf das Gesicht des Bären, der ihn nicht wie sonst üblich in furchteinflößender Größe zu einem Symbol für Wildnis und Kraft stilisiert, sondern den Bären als Individuum inszeniert.
Auch Schmetterlinge sind ein häufiges Motiv im Werk von Benjamin May. Dabei macht der Künstler bereits durch die Unterscheidung zwischen heimischen und exotischen Arten auf einen Wandel in unserer Umwelt hin. Die Schmetterlinge, die ihre zarten Flügel ausbreiten und kurz in der Sonne innehalten, stoßen uns auf die Vergänglichkeit und Zerbrechlichkeit unserer Natur.
Benjamin May zeichnet rein motivisch ein unversehrtes Bild der Natur. Doch der Entzug der Farbigkeit lässt die idyllischen Schwarz-Weiß-Fotografien wie Motive aus vergangen Zeiten erscheinen, die wie eine Dokumentation einer verlorenen Artenvielfalt wirken: Wann haben wir zuletzt einen Schmetterling inmitten einer naturbelassenen Wiese gesehen? Wann haben wir einen Hirsch in einem intakten Wald entdeckt? Diese Momente werden rar.
Der Lebensraum der heimischen Schmetterlingsarten und Waldbewohner schrumpft angesichts von Trockenperioden und der sich ausdehnenden Urbanisierung. Benjamin May schließt sich an die immer mehr in den Fokus der gesellschaftlichen und politischen Aufmerksamkeit rückende Frage nach dem Umgang des Menschen mit der Natur, nach dem „Point-of-no-return“ der globalen Klimaentwicklung.